In vielen Regionen des Landes können Autofahrer ab 65 Jahren ihren Führerschein bald gegen ein einmaliges kostenloses Jahresticket für den öffentlichen Nahverkehr umtauschen. Das Land hat die Verkehrsverbünde aufgefordert, eine entsprechende Kooperationsvereinbarung zu unterzeichnen.
Das Verkehrsministerium hat mit den Verkehrsverbünden des Landes einen Kooperationsvertrag für das Projekt „Bus und Bahn statt Führerschein“ unterzeichnet.
Bereits zum 1. Dezember 2021 haben Seniorinnen und Senioren in den teilnehmenden Landesverbänden die Möglichkeit, im Gegenzug für den freiwilligen Verzicht auf den Führerschein eine einmalige kostenlose Jahreskarte / ein Abonnement zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs in ihrem Verkehrsverbund zu beantragen. „Wir wollen uns den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln erleichtern“, erklärt Minister Winfried Hermann.
Für Mobilität braucht man keinen Führerschein
„Man braucht keinen Führerschein, um mobil zu sein. Für viele Regionen Baden-Württembergs sind Ziele mit Bus und Bahn gut erreichbar. Viele Tagesausflüge sind zu Fuß und mit dem Fahrrad möglich. Wer kein Auto besitzt, spart zudem Geld und fährt mit einem Jahresabo und gelegentlichen Taxifahrten noch günstiger“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann am 15. November 2021 bei der Vorstellung des Projekts.
Über ein Drittel der Verkehrsteilnehmer, die im Straßenverkehr tödlich verunglückt sind, ist 65 Jahre oder älter. Damit nehmen sie einen überproportional hohen Anteil im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil ein. Wer bei einem Unfall Auto fährt, ist in den meisten Fällen der Hauptschuldige (2020: 68,7 Prozent). Angesichts des demografischen Wandels wird die Zahl der Verkehrsteilnehmer der Generation 65+ in den kommenden Jahren weiter zunehmen.
Land beteiligt sich mit bis zu drei Millionen Euro an den Kosten
Bernd Ebert aus Seniorenbeirat der Provinz erläutert: „Der Landesseniorenrat Baden-Württemberg sieht das Projekt als Chance für ältere Menschen, die in einem Stadt- oder Ballungsraum leben, mit einem auf die Bedürfnisse älterer Nutzer zugeschnittenen Angebot, eine längst überfällige, aber aufgeschobene Entscheidung zu treffen. Wenn das Pkw-Fahren im Stadtverkehr aufgrund von körperlichen Behinderungen oder schlechter Seh- und Hörleistung immer schwieriger wird und Sie sich unsicher fühlen, kann dieses Angebot ein Ansporn oder ein letzter Anstoß zur Rückgabe des Führerscheins sein. „
Voraussetzungen für den Erwerb des kostenlosen Angebots sind ein Hauptwohnsitz im jeweiligen Netzgebiet sowie der dauerhafte Verzicht auf die Fahrerlaubnis durch Rückgabe der Fahrerlaubnis an die Fahrerlaubnisbehörde. Das kostenlose Angebot wird von den teilnehmenden Verkehrsverbünden unterstützt. An den entstehenden Kosten beteiligt sich das Land Baden-Württemberg mit bis zu drei Millionen Euro. Mit diesem Anreiz soll die Nutzung des umweltfreundlichen ÖPNV gesteigert, der motorisierte Individualverkehr für die Generation 65+ reduziert und die Verkehrssicherheit verbessert werden.
Gute Erfahrungen in einzelnen Verbänden
Der Geschäftsführer der Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart GmbH (VVS) Thomas Hachenberger sagte: „Wir haben gute Erfahrungen mit der ‚Führerscheinrückgabe gegen‘ gemacht Seniorenticket‚ gemacht. Der Kreis Ludwigsburg war damals Vorreiter, 2020 folgten der Kreis Esslingen und die Landeshauptstadt. Rund 5.300 Senioren profitierten bisher von dieser VVS-Aktion und konnten ein Jahr lang kostenlos Busse und Bahnen nutzen etwaige Zolleintrittsbarrieren. Dass zwei Drittel der Senioren den ÖPNV bisher nicht regelmäßig genutzt haben und viele, also rund die Hälfte von ihnen im zweiten Jahr das SeniorenTicket gekauft haben, blieben dem VVS länger treu. „
„Seit 2016 OstalbMobil Senioren haben die Möglichkeit, Bus und Bahn kostenlos zu nutzen, wenn sie freiwillig auf ihren Führerschein verzichten. Bei diesem Angebot legen wir neben dem kostenlosen Ticket großen Wert auf die parallele Mobilitätsberatung“, sagt Paul-Gerhard Maier, Geschäftsführer von OstalbMobil. „Damit erkennen wir den entscheidenden Schritt, den Führerschein abzugeben und auf einen Teil der gewohnten Individualmobilität zu verzichten. Viele merken dann, dass auch in ländlichen Gegenden das Transportangebot oft viel besser ist, als man denkt! „
„Für den Einstieg in die Mobilität ohne eigenes Auto ist es nie zu spät“, sagt der Geschäftsführer von Verkehrsverbund Bodensee-Oberschwaben Jürgen Löffler. „Mit dieser Aktion ermöglichen das Land und die Kreise Bodenseekreis und Ravensburg, dass der Umstieg auf Bus und Bahn gelingt.“
Ziel ist es, ein möglichst breites Sortiment im Land anzubieten
„Dieses interessante Angebot haben wir schon seit einigen Jahren“, sagt der Geschäftsführer von Tarifverbund Waldshut Lothar Probst. „Die Resonanz ist sehr positiv, rund 1.500 Senioren haben zu mehr Verkehrssicherheit in der Region beigetragen. Um insbesondere älteren Menschen den Umstieg auf Bus und Bahn zu erleichtern, bieten wir spezielle Mobilitätstrainings an. Wir danken dem Land für die Unterstützung des Projekts, das neben dem Sicherheitsaspekt auch den öffentlichen Personennahverkehr stärkt. „
Mit Unterstützung des Landes soll ein möglichst umfassendes Angebot in Baden-Württemberg erreicht werden. Bisher bieten acht Verkehrsverbünde ein kostenloses Angebot für führerscheinverzichtende Senioren an; Mit dem Kooperationsvertrag wurde die Zahl auf 14 Verbände fast verdoppelt. Seitens der Verkehrsverbünde steht der Vertrag noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der kommunalen Stellen.
Minister Hermann bedankte sich auch bei der Stadt und den Landkreisen, ohne deren Mitwirkung die Umsetzung des Projekts nicht möglich wäre.
Straßenverkehr ohne Tote oder Schwerverletzte
Die Landesregierung bekennt sich zur Vision Zero, Straßenverkehr ohne Tote oder Schwerverletzte. Des Koalitionsvertrag die Parteien, die die Landesregierung unterstützen, bekräftigten dieses Ziel. Um das Ziel von Vision Zero zu erreichen, sind zielgruppenspezifische Maßnahmen erforderlich. Einen wichtigen Baustein stellt das nun initiierte Projekt „Bus und Bahn statt Führerschein“ dar.
Alle 21 Verkehrsverbünde wurden eingeladen, den Kooperationsvertrag zu unterzeichnen. Folgende elf Verkehrsverbünde haben sich bisher an der Aktion beteiligt:
- bodo (Bodensee-Oberschwaben Verkehrsverbund GmbH)
- DING (Donau-Iller-Nahverkehrsverbund-GmbH)
- HNV (Heilbronner Hohenloher Haller Nahverkehr GmbH)
- htv (Heidenheimer Tarifverband)
- KVV (Karlsruher Verkehrsverbund GmbH)
- OstalbMobil (OstalbMobil GmbH)
- RVL (Regio Verkehrsverbund Lörrach GmbH)
- VHB (Verkehrsunternehmen Hegau-Bodensee Verbund GmbH)
- VRN (Verkehrsverbund Rhein-Neckar GmbH)
- VVR (Verkehrsverbund Rottweil GmbH)
- VVS (Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart GmbH)
- WTV (Waldshuter Tarifverbund GmbH)
Ähnliche Aktionen gab es bereits in den Verbänden DING, OstalbMobil, VHB, VVS und WTV, auch die Verbände bieten an Verkehrsverbund Neckar-Alb-Donau GmbH (naldo), Verkehrsverbund Landkreis Tuttlingen (TUTicket) und Verkehrsverbund Schwarzwald-Baar GmbH (VSB) gelegentliche Angebote.
Voraussetzungen für das Abonnement
Die Voraussetzungen für den Erhalt des kostenlosen Abonnements sind:
- Hauptwohnsitz im Verkehrsverbund, in dem das kostenlose Angebot genutzt wird
- Nachweis des freiwilligen Verzichts auf den Führerschein durch Rückgabe des Führerscheins an die Fahrerlaubnisbehörde zwischen dem 01.12.2021 und dem 31.08.2022
- Bewerber müssen 65 Jahre alt oder mindestens 60 Jahre alt sein und eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, eine Rente aus einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis oder Leistungen aus einer Berufsgenossenschaft haben.
Das kostenlose Angebot wird von den Verkehrsverbünden unterstützt. Der Staat beteiligt sich mit bis zu drei Millionen Euro an den Kosten, mindestens 50 Prozent der Kosten werden jedoch von den teilnehmenden Verbänden getragen.
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Inspiriert von Landesregierung BW