Die nächtliche Bereitschaft zur Behandlung von Patienten wird für viele Zahnärztinnen im Kreis Heilbronn zum Risiko. Vermehrte Berichte über Aggressionen und Übergriffe haben dazu geführt, dass einige von ihnen den Notdienst abgelehnt haben. Julia Palm, eine erfahrene Zahnärztin, spricht von einem „mulmigen Gefühl“, das sie empfindet, wenn sie mitten in der Nacht einen Notruf erhält. „Man weiß nie, wer vor einem steht, und ob die Person eventuell unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen steht“, erklärt sie.
Die Situation ist besorgniserregend, denn der Druck, der auf dem medizinischen Personal lastet, steigt kontinuierlich. Palm betont, dass sie sich nicht traut, alleine in die Praxis zu fahren, wenn der Notdienst ruft. Ihr Ehemann begleitet sie aus Sicherheitsgründen. Im Allgemeinen scheinen solche Vorkommnisse in Zahnarztpraxen kein Einzelfall mehr zu sein und erfordern eine ernsthafte Betrachtung der Umstände, unter denen diese Dienstleistungsangebote bereitgestellt werden.
Ein Anstieg der Aggressivität bei Patienten
Andreas Volk, Sprecher der Kreiszahnärzteschaft Heilbronn, bekräftigt, dass es in der letzten Zeit einen Anstieg an aggressiven Vorfällen in Zahnarztpraxen gegeben hat. Die Auslöser liegen oft in unerfüllten Patientenwünschen und überhöhten Erwartungen. „Der Ton wird rauer, das ist durchaus zu hören“, erklärt er. Diese Erfahrungsberichte wurden auch von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KZV) bestätigt, die die Problematik ernst nimmt. Bisher sind ihr jedoch keine konkreten Fälle körperlicher Gewalt bekannt.
Zahnärztin Julia Palm beobachtet eine Zunahme an aggressivem Verhalten, insbesondere bei Patienten, die unter dem Einfluss von Drogen stehen. In einem Vorfall verlangte ein Patient umgehend eine Behandlung, während er randalierte. „Wir versuchen, durch eine geeignete Kommunikation solche Konflikte zu vermeiden. Manchmal ist es aber sehr schwierig“, fügt sie hinzu.
Die Herausforderung kommunikativer Barrieren tritt häufig bei Patienten mit begrenzten Deutschkenntnissen auf. Unter Einsatz von digitalen Übersetzungsprogrammen versucht das Praxisteam, Missverständnisse zu vermeiden. Dennoch gelingt es nicht immer. Ein Beispiel dafür ist ein Patient, der nicht verstand, dass er lediglich für eine Schmerzbehandlung behandelt werden durfte. Seine lauten Proteste verdeutlichten die Gefahren solcher Missverständnisse poignant.
Berichten über Aggressionen in Praxen
Die Thematik ist nicht nur auf Zahnarztpraxen beschränkt. In Arztpraxen allgemein nimmt die Zahl bedrohlicher Situationen und Aggressionen gegen medizinisches Personal, wie in einer Praxis in Neckarsulm berichtet wird, zu. Dort sehen sich die Mitarbeiter fast täglich Drohungen und Handgreiflichkeiten ausgesetzt. Diese alarmierenden Berichte werfen ein ernsthaftes Licht auf die Bedingungen, unter denen das medizinische Personal arbeitet.
Um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten, haben einige Zahnärztinnen in Heilbronn beschlossen, den nächtlichen Notdienst nicht mehr zu übernehmen. Dies führt dazu, dass vor Ort individuelle Lösungen gesucht werden, um weiterhin eine adäquate Patientenversorgung sicherzustellen. Dennoch bleibt die Frage im Raum, wie sich der Gewaltpegel in Praxen weiter entwickeln wird und welche Maßnahmen nötig sind, um die Sicherheit von medizinischem Personal zu gewährleisten.
Julia Palm hat eine Lösung gefunden: In ihrer Praxis gibt es einen Kollegen, der bereitsteht, um sie in den Notfallstunden zu unterstützen. „So müssen weder meine Kollegin noch ich in der Nacht allein arbeiten“, betont sie. Diese Art der Organisation sorgt zwar für ein gewisses Maß an Sicherheit, doch bleibt die grundsätzliche Problematik von aggressiven Patienten und der Umgang mit ihnen ein Thema im Gesundheitswesen, das dringend angesprochen werden muss.
– NAG