Innenministerium

Verfassungsschutzbericht 2020 vorgestellt

Der Verfassungsschutzbericht 2020 zeigt, dass die Corona-Pandemie große Auswirkungen auf die Arbeit des Verfassungsschutzes hatte. Neben den bisher bekannten Formen des Rechtsextremismus, der Bedrohung durch den islamistischen Extremismus und dem wachsenden Linksextremismus kommen nun neue Formen des Extremismus aufgrund der Corona-Pandemie hinzu.

„Die Corona-Pandemie hat die Arbeit des Verfassungsschutzes im vergangenen Jahr stark beeinflusst: Sie hat neue Formen des Extremismus hervorgebracht und stellt auch unsere Spionage und Cyberabwehr vor neue Herausforderungen. Zudem bleibt die Bedrohung durch Rechtsextremismus, Islamismus und Linksextremismus angespannt“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl. Gemeinsam mit dem Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz Beate Bube er fragte die Verfassungsschutzbericht 2020 vor.

Neue Formen des Extremismus in der Corona-Pandemie

Seit Frühjahr 2020 ist der Berichtszeitraum stark von zahlreichen Demonstrationen gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie geprägt. „Die Pandemie hat auch das gesamtgesellschaftliche Klima teilweise verändert. Schon früh bei den Treffen fiel uns ein ominöses Bündnis von Reichsbürgern und Selbstverwaltungen, Verschwörungsideologen und Rechtsextremisten auf, die bei diesen Veranstaltungen zusammenkommen, um – zumindest oberflächlich – gegen die staatlichen Maßnahmen zu demonstrieren. Dahinter steht natürlich eine neue Richtung extremistischer Hetze, bei der das staatsfeindliche Narrativ im Mittelpunkt steht“, sagte Minister Thomas Strobl.

Die Bewegung „Lateral Thinking 711“ spielte von Anfang an eine führende Rolle bei den Corona-Protesten. Seit Dezember 2020 beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg das „Querdenken 711“ und seine baden-württembergischen Ableger, da sich diese Initiativen im Jahresverlauf zunehmend radikalisieren.

„Das Jahr 2020 hat gezeigt, dass die Pandemie eindeutig ein Nährboden für extremistische Verschwörungsmythen sowie für Hass und Hetze ist. Die Gefahr dieser neuen Form des Extremismus, die weitgehend auf Verschwörungsideologien basiert, ist unserer Meinung nach extrem hoch: Je größer der Hass auf die propagierten Feindbilder, desto verletzlicher sind diese Personengruppen. In diesem Sinne ist es absolut richtig, dass Bundesamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzämter der Länder haben ein neues Phänomen namens „Verfassungsschutz-relevante Delegitimierung“ aufgesetzt und stärken die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in diesem Extremismus-Bereich“, betonte Minister Thomas Strobl.

Die Gefahren des Rechtsextremismus bleiben hoch

„Trotz sinkender Zahl rechtsextremistischer Straftaten und Gewalttaten bleibt die grundsätzliche Gefahr durch fanatische Rechtsextremisten hoch. Das hat der Anschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau gezeigt. Die schwersten rechtsextremistischen Gewalttaten sowie der Rechtsterrorismus der letzten Jahre wurden entweder von kleinen Gruppen oder von Einzelpersonen begangen. Die frühzeitige Erkennung dieses extremistischen Personenpotentials und der militanten Netzwerke ist daher für eine erfolgreiche Bekämpfung des Rechtsextremismus sehr wichtig. Gleichzeitig stellt sie die Sicherheitsbehörden vor enorme Herausforderungen. Wir nehmen die Gefahren sehr ernst und reagieren darauf: Das Landesamt für Verfassungsschutz im Oktober 2020 eine eigenständige Abteilung für Rechtsextremismus und Terrorismus, Reichsbürger und Selbstverwalter eingerichtet und insbesondere die Früherkennung radikaler Einzeltäter und Kleingruppen gestärkt“, sagte Innenminister Thomas Strobl.

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Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten in Baden-Württemberg ist im Jahr 2020 leicht auf rund 1.970 gestiegen. 2019 waren es rund 1.900. Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten stagnierte 2020 bei rund 790. Damit macht der gewalttätige Anteil rund 40 % des gesamten Spektrums aus. Bundesweit wurden im Jahr 2020 35 rechtsextreme Gewalttaten registriert, gegenüber 39 im Jahr 2019. Auch die Gesamtzahl der rechtsextremen Straftaten ging von 1.549 im Jahr 2019 auf 1.479 im Jahr 2020 zurück.

„Außerdem mussten wir feststellen: Gerade in der Corona-Pandemie haben neue Medien, Streaming-Plattformen sowie anonyme und verschlüsselte Messenger-Dienste für die rechtsextreme Szene an Bedeutung gewonnen. Die Analysen der jüngsten rechtsextremen Angriffe machen deutlich, dass Ankündigungen online veröffentlicht und verbreitet wurden. Zudem zeigen sich in einzelnen Foren tief verwurzelter Antisemitismus und rassistische Ideen“, sagte Minister Thomas Strobl: „Ein Phänomen, das wir auch bei den Querdenkerbewegungen beobachten mussten: Auch sie wurden weitgehend über das Internet getrieben und angestachelt. Soziale Medien haben eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung und Radikalisierung einer Vielzahl von Menschen gespielt. „

Bis heute ist Antisemitismus fest in der rechtsextremen Ideologie verwurzelt. Auch in der rechtsextremen Szene in Baden-Württemberg gibt es einen erheblichen antisemitischen Fanatismus. „Aktuell gibt es für Baden-Württemberg keine Hinweise auf Anschlagspläne, die mit dem Anschlag in Halle/Saale im Oktober 2019 vergleichbar sind. Grundsätzlich besteht jedoch die Gefahr, dass einzelne Täter oder Gruppen extrem gewalttätige Handlungen begehen, wenn sie motiviert wären.“ dazu“, warnte Minister Thomas Strobl

Reichsbürger und Selbstverwalter

Die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ umfasst derzeit in Baden-Württemberg rund 3.300 Menschen, von denen nur rund drei Prozent auch dem Rechtsextremismus zuzurechnen sind. „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ treten meist als Einzelpersonen auf oder organisieren sich je nach ideologischer Ausrichtung in kleinen Gruppen. Nach wie vor werden zahlreiche Meldungen von Behörden über „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ vom Landesamt für Verfassungsschutz bearbeitet.

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„2020 gab es wieder zahlreiche Vorfälle im Zusammenhang mit Reichsbürgern und Selbstverwaltungen. Eine erhöhte Gewaltbereitschaft dieser Menschen ist weiterhin gegeben und muss auch in Zukunft berücksichtigt werden“, sagte Minister Thomas Strobl.

Linksextremismus – zunehmende Militanz

Das Potenzial der Linksextremisten in Baden-Württemberg ist im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben: Die Gesamtzahl der Linksextremisten in Baden-Württemberg beträgt rund 2.800 Personen; Im Jahr 2019 waren es insgesamt 2.750. Davon gehören 840 Personen zum gewaltorientierten Spektrum; 2019 waren es 850 Personen.

„Wir dürfen die Gefahr, die von Linksextremisten ausgeht, nicht unterschätzen. Im ersten Halbjahr 2020 kam es zu einem deutlichen Anstieg linksextremistischer Militanz. Der Großraum Stuttgart bildete den regionalen Schwerpunkt. Ein Grund für die Zunahme der Militanz war die wachsende Protestbewegung der „Querdenker“. Linksextreme suchten mit ihnen mehrfach die körperliche Konfrontation. Die Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Lagern erreichten im Mai vergangenen Jahres einen negativen Höhepunkt: Bei einem der gezielten Angriffe wurde ein Demonstrationsteilnehmer lebensgefährlich verletzt“, sagte Minister Thomas Strobl.

Die linksextreme Szene versucht strategisch und taktisch Einfluss auf Themen und Prozesse zu nehmen, die in der Gesellschaft breit diskutiert werden. Auf diese Weise sollen demokratische Proteste für eigene Zwecke genutzt und instrumentalisiert werden. Ein Beispiel sind Versuche, Einfluss auf die seit 2019 aktive Klimabewegung zu nehmen. Linksextreme Gruppen beteiligen sich an Aktionsbündnissen oder unterstützen Aktivitäten nicht-extremistischer Gruppen in diesem Bereich.

Die Bedrohung durch islamistischen Extremismus bleibt bestehen

„Natürlich behalten wir auch weiterhin die Bedrohung unserer Gesellschaftsordnung durch islamistischen Extremismus und Terrorismus im Blick. Trotz seines Zusammenbruchs bleibt die Bedrohung durch den Einfluss des „Islamischen Staates“ (IS) äußerst angespannt. Die jüngsten Anschläge, wie der letzte in Wien am 2. November 2020, belegen dies auf schreckliche Weise. Die größte Gefahr geht nach wie vor von einzelnen Attentätern in psychischen Ausnahmesituationen aus, die sich durch eine vermeintliche, selbstvermittelte Nähe zum IS mediale Aufmerksamkeit erhoffen“, sagte Innenminister Thomas Strobl.

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Der IS ist immer noch sehr aktiv in der Online-Propaganda, um Menschen auf der ganzen Welt zu Angriffen zu locken. Die schicksalhafte Gewaltideologie des IS – verbreitet durch eine Art „virtuelles Kalifat“ – kann so ihre verheerende Wirkung entfalten.

Das islamistische Potenzial in Baden-Württemberg lag 2020 bei rund 4.200 Menschen; 2019 waren es rund 4.100. Das salafistische Spektrum im Land wuchs um rund 100 auf insgesamt 1.300 Anhänger.

Gefährdung der Sicherheitsbemühungen von Ausländern

Im Jahr 2020 gehörten in Baden-Württemberg rund 4.525 Personen dem ausländischen extremistischen Spektrum an; 2019 waren es 4.425. 2.400 von ihnen gelten als türkische Rechtsextremisten.

Das türkische Militär verstärkte im Sommer 2020 seine Angriffe auf PKK-Stellungen im Nordirak. Dies löste eine Protestwelle unter PKK-Sympathisanten in Baden-Württemberg aus. Trotz pandemiebedingter Einschränkungen nahmen teilweise mehrere Hundert Menschen an den Demonstrationen teil. Unterstützung für den Militäreinsatz im Nordirak kam hingegen aus dem regierungsnahen türkischen rechtsextremen Milieu. Der politische Gegensatz zwischen den verschiedenen politischen Parteien führt immer wieder zu gegenseitigen verbalen und physischen Auseinandersetzungen. Dies war auch in den letzten Monaten der Fall, beispielsweise in Stuttgart und Tübingen.

Spionageabwehr – Deutschland und Baden-Württemberg im Fokus ausländischer Nachrichtendienste

Die Corona-Pandemie stellt auch die Spionageabwehr im Landesamt für Verfassungsschutz vor neue Herausforderungen: Insbesondere die Entwicklung von COVID-19-Impfstoffen im Jahr 2020 war ein potenzielles Angriffsziel ausländischer Geheimdienste.

„Zum Schutz unserer Pharmaunternehmen und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen hat die Spionageabwehr des Landesamtes für Verfassungsschutz umfangreiche Aufklärungsmaßnahmen initiiert und durchgeführt. Diese Maßnahmen werden 2021 konsequent fortgeführt“, sagte Minister Thomas Strobl.

Auch die veränderten Arbeitsbedingungen während der Pandemie trugen maßgeblich zum Cyber-Risiko bei. Cyberspionage und zahlreiche Cybercrime-Aktivitäten erhöhen die Gefahren und Risiken für die IT-Sicherheit sowie für den Informations- und Know-how-Schutz in Baden-Württemberg.

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Den Verfassungsschutzbericht 2020 finden Sie im Internet unter www.im.baden-wuerttemberg.de.

Hintergrundinformationen zu vielen Themen finden Sie auf der Homepage des Landesamtes für Verfassungsschutz finden.


Verfassungsbericht 2020

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Inspiriert von Landesregierung BW

Sophie Müller

Sophie Müller ist eine gebürtige Stuttgarterin und erfahrene Journalistin mit Schwerpunkt Wirtschaft. Sie absolvierte ihr Studium der Journalistik und Betriebswirtschaft an der Universität Stuttgart und hat seitdem für mehrere renommierte Medienhäuser gearbeitet. Sophie ist Mitglied in der Deutschen Fachjournalisten-Assoziation und wurde für ihre eingehende Recherche und klare Sprache mehrmals ausgezeichnet. Ihre Artikel decken ein breites Spektrum an Themen ab, von der lokalen Wirtschaftsentwicklung bis hin zu globalen Finanztrends. Wenn sie nicht gerade schreibt oder recherchiert, genießt Sophie die vielfältigen kulturellen Angebote Stuttgarts und ist eine begeisterte Wanderin im Schwäbischen Wald.

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