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Medizinisches Cannabis im Aufschwung: Erfahrungen und Herausforderungen in Berlin

In Berlin berichtet ein Mann von seiner Erfahrung, innerhalb von nur fünf Minuten ein Rezept für medizinisches Cannabis online zu erhalten, was auf die stark steigende Nachfrage und die umstrittenen Praktiken bei der Verschreibung hinweist, während das Bundesgesundheitsministerium die Entwicklungen aufmerksam beobachtet.

Die Verschreibung von medizinischem Cannabis erlebt in Deutschland einen regelrechten Boom. Dabei handelt es sich um eine Entwicklung, die nicht nur Betroffene, sondern das gesamte Gesundheitssystem betrifft. Ein Berliner Mann schildert seine jüngsten Erfahrungen mit der Beschaffung von Cannabis auf Rezept über eine Online-Plattform, was für viele überraschend einfach erscheint. In nur wenigen Minuten konnte er sein Rezept erhalten, nachdem er an einer kurzen Arzt-Sprechstunde teilgenommen hatte. „Die ‚Sprechstunde‘ ging nicht mal fünf Minuten“, berichtet er. Last minute stellte er seine Rückenschmerzen zur Diskussion und fand schnell den Weg zu seinem verschriebenen Cannabis.

Der Anstieg der Verschreibungen hat auch direkte Auswirkungen auf die Einfuhrzahlen. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurden die Importe von medizinischen Cannabisblüten im letzten Quartal um beeindruckende 40 Prozent erhöht – von 8,1 Tonnen auf 11,7 Tonnen. Diese Entwicklung ist bemerkenswert, vor allem, da die Möglichkeiten, Cannabis in Deutschland zu konsumieren, sich seit der Gesetzesänderung im Jahr 2017 deutlich ausgeweitet haben. Seither ist das medizinische Cannabis ausschließlich für bestimmte „schwerwiegende Erkrankungen“ zugänglich, was schmerzlindernende Anwendungen oder die Behandlung chronischer Krankheiten wie Multipler Sklerose umfasst.

Verschreibung und Nutzung von Cannabis

Experten vermuten, dass die Teil-Legalisierung von Cannabis und der damit verbundene Entstigmatisierungsprozess einen erheblichen Einfluss auf diese Entwicklung haben. Cannabis steht seit April 2023 allen Erwachsenen in Deutschland zur Verfügung, nicht mehr nur den Schwerkranken. Allerdings bleibt die Frage, wie die Verfügbarkeit des Produkts sichergestellt werden kann, da der Handel mit Cannabis weiterhin illegal ist.

Der besagte Berliner Mann erklärt, dass er Cannabis regelmäßig nutzt, um sich zu entspannen, nachdem er vor vielen Jahren auf Alkohol verzichtet hat. Als Richter ist ihm die illegale Beschaffung von Cannabis ein Dorn im Auge, und die Möglichkeit, dies nun legal zu tun, macht Hoffnung, auch wenn er den Prozess als einen unbefriedigenden Rückschritt in der Legalisierung ansieht.

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Ein weiteres Problem ist, dass immer mehr Webseiten entstanden sind, die virtuelle Arztbesuche anbieten und zu verschreiben. Diese Plattformen haben oft ihren Sitz im Ausland und erheben Gebühren für die Ausstellung von Privatrezepten. Dabei liegt der Preis des Cannabis inzwischen auf einem ähnlichen Niveau wie im Schwarzmarkt, was für viele Konsumenten attraktiv ist. Fachleute warnen jedoch, dass die Ärzte auf diesen Plattformen ihren Sorgfaltspflichten nicht gerecht werden können, was ein ernsthaftes Risiko für die Patienten darstellt.

Die Herausforderungen der Cannabis-Versorgung

Die Diskussion um den durchschnittlichen THC-Gehalt verdeutlicht die Bedenken der Fachwelt. Laut dem Europäischen Drogenbericht hat sich der THC-Gehalt von Cannabis zwischen 2012 und 2022 verdoppelt, was die Gesundheitsrisiken erhöht. Experten befürchten, dass eine einfache Bezugsweise, die nicht gründlich überprüft wird, letztlich den Schaden, den Cannabis anrichten kann, verharmlost.

Angehörige der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) fordern daher eine klare Regulierung. Ein persönliches Gespräch mit einem Arzt vor der Verschreibung ist dringend notwendig, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Der Vorstand der Bundesopiumstelle, Peter Cremer-Schaeffer, weist darauf hin, dass viele der ausgestellten Rezepte über 7.000 nur für Männer in einem jüngeren Alter ausgestellt werden und dass die Ausgangsbedingungen für eine vollständige Erstattung durch die Krankenkassen schwerwiegende Erkrankungen erfordern.

Ein Hoffnungsträger in dieser Situation könnte der Anbauverein „Blatt & Blüte“ in Berlin sein. Andreas Peifer, ein erfahrener Nutzer von medizinischem Cannabis, hofft, dass sich die Dinge bald durch die Cannabis-Vereine selbst regulieren werden, damit Patienten auf legale Weise an das benötigte Cannabis gelangen können. „Die Rezeptverschreibungen haben zugenommen, und viele Produkte sind nicht mehr lieferbar“, erklärt er. Patienten wurden dazu ermutigt, sich einen Arzt vor Ort zu suchen, um die Medikamentation individuell anzupassen und nicht auf den Schwarzmarkt zurückgreifen zu müssen. Dies könnte letztlich zu einer besseren Versorgung derjenigen führen, die auf Cannabis angewiesen sind.

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Regulierung und Ausblick

Das Bundesgesundheitsministerium beobachtet die Entwicklungen im Bereich der Verschreibung von Cannabis aufmerksam. Eine Sprecherin betont, dass die Verwendung von Cannabis als Arzneimittel ausschließlich zu medizinischen Zwecken erfolgen darf. Die Entscheidungsfindung und der Zugriff auf medizinisches Cannabis sind komplex und müssen sorgfältig überwacht werden, um Missbrauch und gesundheitliche Gefahren zu vermeiden. Für viele bleibt die Hoffnung auf bessere und geregelte Zugänge zu medizinischem Cannabis, die alle Beteiligten ernsthaft ernst nehmen müssen.

Wirtschaftliche Aspekte des Cannabis-Marktes

Der medizinische Cannabis-Markt in Deutschland hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2021 wurde die Marktgröße auf circa 100 Millionen Euro geschätzt, und die Tendenz zeigt klar nach oben. Die Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke hat nicht nur zur Schaffung neuer Einnahmequellen für Unternehmen beigetragen, sondern auch Arbeitsplätze in einem bislang stark regulierten Bereich geschaffen. Verschiedene Unternehmen aus der Pharma- und Agrarindustrie haben begonnen, in den Anbau, die Verarbeitung und den Vertrieb von Cannabis zu investieren.

Ein weiteres wirtschaftliches Element ist die Steuerpolitik. Die Festlegung von Steuersätzen auf medizinisches Cannabis könnte zukünftige Einnahmen für den Staat generieren. Dies könnte insbesondere relevant sein, wenn das Angebot an medizinischem Cannabis weiter wächst und die Nachfrage stabil bleibt. Der Markt bleibt jedoch weiterhin volatil, abhängig von politischen Entscheidungen und der öffentlichen Wahrnehmung von Cannabis.

Regulatorische Herausforderungen und gesundheitliche Bedenken

Trotz der positiven Entwicklungen im Bereich medizinisches Cannabis stehen die Akteure des Marktes vor zahlreichen regulatorischen Herausforderungen. Die Verschreibung von Cannabis ist zwar ermöglicht worden, jedoch sind die Anforderungen und Verfahren oft kompliziert. Ärzte müssen nicht nur gut informiert sein, sondern auch sicherstellen, dass sie die Kriterien für die Verschreibung erfüllen, um rechtliche Probleme zu vermeiden.

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Gesundheitliche Bedenken sind ebenfalls ein relevantes Thema. Experten warnen vor möglichen Nebenwirkungen, insbesondere bei Konsumenten, die Cannabidiol (CBD) und Tetrahydrocannabinol (THC) verwenden. Hohe THC-Gehalte können psychische Probleme hervorrufen, und der Zugang zu medizinischem Cannabis über fragwürdige Online-Plattformen könnte zusätzliche Risiken bergen. Daher ist die Forderung nach einer persönlichen Arzt-Patienten-Besprechung in diesem Kontext besonders wichtig.

Aktuelle Statistiken zur Cannabis-Nutzung in Deutschland

Aktuellen Studien zufolge nimmt die Zahl der Menschen, die Cannabis zu medizinischen Zwecken nutzen, stetig zu. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov haben etwa 18 % der deutschen Bevölkerung angegeben, dass sie schon einmal medizinisches Cannabis konsumiert haben. Zudem zeigt eine Analyse der Verschreibungsdaten, dass die häufigsten Gründe für Cannabisverordnungen chronische Schmerzen, Schlafstörungen und psychische Erkrankungen sind.

Jahr Anzahl der Verschreibungen Prozentuale Steigerung
2017 1.000
2018 3.300 230 %
2019 7.000 112 %
2020 18.000 157 %
2021 29.000 61 %

Diese Daten spiegeln einen klaren Trend wider, dass zunehmend auch jüngere, gesunde Erwachsene sich mit Cannabis als Behandlungsoption beschäftigen. Der Anstieg ist auch durch die schrittweise Regulierung und die wachsende Akzeptanz in der Gesellschaft bedingt.

NAG

Sophie Müller

Sophie Müller ist eine gebürtige Stuttgarterin und erfahrene Journalistin mit Schwerpunkt Wirtschaft. Sie absolvierte ihr Studium der Journalistik und Betriebswirtschaft an der Universität Stuttgart und hat seitdem für mehrere renommierte Medienhäuser gearbeitet. Sophie ist Mitglied in der Deutschen Fachjournalisten-Assoziation und wurde für ihre eingehende Recherche und klare Sprache mehrmals ausgezeichnet. Ihre Artikel decken ein breites Spektrum an Themen ab, von der lokalen Wirtschaftsentwicklung bis hin zu globalen Finanztrends. Wenn sie nicht gerade schreibt oder recherchiert, genießt Sophie die vielfältigen kulturellen Angebote Stuttgarts und ist eine begeisterte Wanderin im Schwäbischen Wald.

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