Debatten und zahlreiche wichtige Impulse: Die Herbstkonferenz der Justizministerinnen und -minister in Berlin unter dem Vorsitz Bayerns hat sich wieder einmal als rechtspolitische Denkfabrik erwiesen und wichtige Initiativen für die Bundesgesetzgebung hervorgebracht.
Der Vorsitzende der 93. Justizministerkonferenz und bayerische Justizminister Georg Eisenreich sagte: „Ich freue mich sehr über das ausgesprochen konstruktive Klima der Konferenz. Wir haben wichtige Themen intensiv diskutiert. Wenn es um die Zukunft unseres Rechtsstaats geht, stehen alle 16 Bundesländer zusammen. Das zeigt sich auch in unserem gemeinsamen Appell an den Bundesjustizminister.“ Der Bundesjustizminister wurde erneut aufgefordert, den Pakt für den Rechtsstaat zu verlängern und um einen Digitalpakt zu erweitern. Eisenreich betonte: „Die Digitalisierung bedeutet für uns alle einen gewaltigen personellen und finanziellen Kraftakt. Ein Teil der ständig wachsenden Aufgaben der Länderjustiz wird durch die Gesetzgebung des Bundes verursacht. Daher muss sich der Bund auch angemessen an den Kosten beteiligen. Dabei muss die Beteiligung über die Förderung einzelner Digitalisierungsprojekte hinausgehen. Es ist unsere Aufgabe, die Handlungsfähigkeit der Justiz und das Vertrauen in unseren Rechtsstaat zu erhalten.“
Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Koordinatorin der A-Länder) sagte: „Zu einem Pakt gehören immer zwei Seiten, die einen Vertrag miteinander schließen. Folglich gibt es aktuell keinen Pakt für den Rechtsstaat, weil der Bund die Problembeschreibung der Länder ignoriert und sich stattdessen vor allem um eigene neue Digitalisierungsprojekte kümmern will. Wie wir wirklich einen leistungsfähigen digitalen Rechtsstaat schaffen, steht leider nicht im Fokus. Dabei löst der Bund durch seine Gesetzgebung permanent neue Ressourcenanforderungen bei den Ländern aus und macht den Ländern in Sachen Digitalisierung gesetzliche Vorgaben. Zu einem digitalen Rechtsstaat kommen wir nur mit ausreichend Investitionen von Bund und Ländern in die Digitalisierung und in Personal.“
Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (Koordinatorin der Unionsseite) betonte: „Der erste Pakt für den Rechtsstaat, mit dem sich Bund und Länder 2019 zu ihrer gemeinsamen Verantwortung bekannt haben, war ein Erfolg und ein echter Beitrag für die Justiz in Deutschland. Der aktuelle Vorschlag bleibt deutlich hinter diesem ersten Pakt zurück – bei gestiegenen Anforderungen, die Jahr um Jahr in zunehmenden Maße an die Justiz herangetragen werden.“
Ein großes Thema der 93. Justizministerkonferenz war auch der Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und Kinderpornografie. Die Konferenz hat gleich mehrere Initiativen zu diesem Thema beschlossen. Eisenreich sagte: „Unsere Ermittlerteams müssen riesige Datenmengen bewältigen. Deshalb wollen wir länderübergreifende Standards und einheitliche Vorgehensweisen gemeinsam definieren. Auch über den Einsatz Künstlicher Intelligenz müssen wir uns über Ländergrenzen hinweg austauschen. Den Bund fordern wir auf, seine digitalen Ermittlungswerkzeuge zur Bekämpfung der sexuellen Gewalt gegen Kinder auch den Ländern zugänglich zu machen.“ Minister Eisenreich drängt zudem auf die rasche Wiederbelebung der Verkehrsdatenspeicherung: „Fehlende Verkehrsdatenspeicherung kann verhindern, dass wir Straftaten aufklären und zum Teil noch laufenden Kindesmissbrauch stoppen können. Wer die Verkehrsdatenspeicherung ablehnt, der bremst unsere Ermittlerinnen und Ermittler aus.“
Angesichts der Energiekrise und der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt wurde eine Initiative aus Hamburg beschlossen, um Mieterinnen und Mieter besser zu schützen. Unter anderem sollte in den Fällen, in denen diese bei der Zahlung der Betriebskosten in Verzug geraten, das Kündigungsrecht der Vermieterinnen und Vermieter für einen befristeten Zeitraum beschränkt werden. Senatorin Gallina betonte: „Wenn aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gestiegene Betriebskosten dazu führen, dass die Forderungen aus dem Mietvertrag nicht mehr beglichen werden können, droht im schlimmsten Fall die Kündigung des Mietverhältnisses. Der Bund ist aufgefordert, gerade in diesen schwierigen Zeiten Schutzlücken für Mieterinnen und Mieter zu schließen.“
Zudem ging es auch um wichtige Verbesserungen beim Kinderschutz durch verfahrensrechtliche Maßnahmen. Die Länder sehen Änderungsbedarf bei Gewaltschutzverfahren, bei denen Kinder stärker in den Blick genommen werden müssen. Marion Gentges sagte: „Wenn Gewalt in Familien herrscht, sind immer auch die Kinder die Opfer. Kinder und Jugendliche, die mit der verletzten Person oder dem Täter in einem Haushalt leben, leiden mit, selbst wenn sich die Gewalt nicht unmittelbar gegen sie richtet. Das muss viel stärker in den Blick gerückt werden. In Gewaltschutzverfahren muss deshalb grundsätzlich das Jugendamt eingebunden und damit ein klarer Fokus auf das Wohl der Kinder gelegt werden.“
Bayerisches Staatsministerium der Justiz: Beschlüsse der Konferenz
Inspiriert von Landesregierung BW