Im Schatten der farbenfrohen Fasnetsbräuche lebt eine Geschichte aus längst vergangenen Tagen, die kürzlich in einer Jubiläumsausstellung der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte in Rottenburg am Neckar ans Licht kam. Bei der Veranstaltung, die bis zum Ende des Jahres zu sehen ist und nun nach Offenburg verlegt wird, wird nicht nur die Tradition der Narrenzünfte gefeiert, sondern auch die evolutionären Schritte, die die Rolle der Frauen in der Narrenkultur erfreulicherweise transformiert haben.
Ein besonderer Blickfang ist ein historischer Brief aus dem Jahr 1927, verfasst von der Sigmaringer Vetter-Guser-Zunft. Mit einem charmanten, aber auch verblüffenden Inhalt reagierten die Sigmaringer Narren auf eine Einladung der Hechinger Narrenzunft. Man könnte sagen, die Männer aus Sigmaringen waren auf „Brautschau“, als sie in ihrem Schreiben die Hechinger Damen zum Auftritt aufforderten und gleichzeitig auf eine mögliche Heiratsoption anspielten.
Ein überraschender Inhalt
Der Brief beginnt zunächst recht harmlos mit der Feststellung: „Ihrem Wunsche, unsere Damen mitzubringen, können wir nicht entsprechen.“ Der Hinweis, dass der gesamte Elferrat ledig sei, wird mit Anführungszeichen hervorgehoben, was auf eine leicht anstößige Andeutung hinweist. Der Ton wird jedoch schnell unverblümt, als die Sigmaringer Kapelle ihre Gastgeber dazu aufruft, elf „Ehrenjungfrauen“ im Alter von 18 bis 25 Jahren bereitzustellen. Die humorvolle Note – das Potenzial für spätere Hochzeiten anzudeuten – hebt den spielerischen Charakter dieser Anfrage hervor.
Welchen Eindruck dieser Brief im Jahr 1927 auf die Hechinger Bevölkerung hinterließ, bleibt unklar. Konnten sich Frauen damals möglicherweise belästigt oder unangemessen behandelt fühlen? Diese Fragen wurden in der aktuellen Ausstellung nicht thematisiert. Stattdessen wird der Fokus auf der Entwicklung des Narrenwesens und der Rolle der Frauen gelegt. Heutzutage sind nicht nur Männer in den Führungspositionen der Narren aktiv, sondern Frauen sind nun gleichberechtigt im Elferrat vertreten, was den Fortschritt der letzten Jahrzehnte eindrucksvoll unterstreicht.
In einer Zeit, in der Gleichberechtigung und Respekt hohe Werte darstellen, könnten die heutigen Mitglieder der Vetter-Guser-Zunft sich nie vorstellen, ein solches Schreiben zu verfassen. Die Ausstellung zeigt symbolisch, wie weit sich die Tradition entwickelt hat, ohne dabei mit moralischen Zeigefingern zu agieren, und reflektiert die positiven Veränderungen innerhalb der Fasnetskultur. Der Wandel der Denkweise im Laufe der Jahre wird durch viele solcher historischen Einblicke greifbar und feiert die fortschreitende Emanzipation, die in der Narrenwelt und darüber hinaus stattgefunden hat.
– NAG