Ein neuer Sturm zieht über die Stadtplanung hinweg, und die Schuldige ist das verschärfte Allgemeine Eisenbahngesetz. Seit Ende 2023 hat der Bund mit dieser Gesetzesnovelle die Umwidmung von ehemaligen Bahnflächen fast unmöglich gemacht. „Die Novelle entpuppt sich als echter Hemmschuh für die Stadtentwicklung“, kritisierte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, und stellte damit klar, wie dramatisch die Situation für zahlreiche Bauprojekte in ganz Deutschland ist. Dank der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke der Bahn sind Reisende aus Ulm seit Dezember 2022 schneller nach Stuttgart unterwegs, doch die Pläne für ein neues Parkhaus am Ulmer Hauptbahnhof, welches 400 Autos Platz bieten soll, stehen nun auf der Kippe. Laut der Schwaebischen Zeitung sind auch 450 Fahrradstellplätze vorgesehen, die jedoch ebenfalls in Gefahr sind.
Die verschärfte Regelung macht die Umwidmung von Flächen, die die Bahn nicht mehr benötigt, äußerst kompliziert. Ein „überragendes öffentliches Interesse“ muss nachgewiesen werden, um solche Flächen für neue Projekte zu nutzen. Das bedeutet, dass viele Kommunen, die dringend neuen Wohnraum oder Infrastrukturen benötigen, vor einer nahezu unüberwindbaren Hürde stehen. „Die ungenutzten Bahnflächen liegen oft mitten in den Städten. Sie haben enorm viel Potenzial“, so Dedy weiter, was die Dringlichkeit der Problematik unterstreicht.
Stadtentwicklung in der Warteschleife
Die Auswirkungen sind landesweit spürbar. In Stuttgart beispielsweise sind die Pläne für das Rosensteinquartier, das 5000 Wohnungen umfassen soll, gefährdet. Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) hat sogar eine Klage am Bundesverfassungsgericht ins Spiel gebracht, um die kommunale Planungshoheit zu schützen. Auch in Berlin sind rund 5800 Wohneinheiten betroffen, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete. Diese Projekte, die schon lange in der Planung sind, stehen nun auf der Kippe, und das führt zu Frustration unter den Stadtplanern.
Die anhaltende Planungslosigkeit ist nicht nur ein Ärgernis, sondern auch ein ernsthaftes Problem in der aktuellen Wohnungsbaukrise. Die Union drängt auf eine schnelle Lösung, um brachliegende Flächen für den Wohnungsbau zu nutzen. „Es darf nicht sein, dass nur wegen einer falsch angelegten Vorschrift große Flächenpotenziale verloren gehen“, erklärte Unionsfraktionsvize Ulrich Lange. Auch die SPD fordert ein rasches Handeln, um die Stadtentwicklungsprojekte auf ehemaligen Bahnflächen fortzuführen.
Die Suche nach Lösungen
Mit dieser Herausforderung müssen sich nun die Fachpolitiker in Berlin auseinandersetzen. Die Grünen im Bundestag, vertreten durch Matthias Gastel, betonen, dass die Hürden zur Entwidmung von Bahngelände hoch bleiben müssen. Gleichzeitig müsse jedoch ein Mittelweg gefunden werden, um auch Wohnraum und Gewerbeflächen zu schaffen. „Wir wollen wegkommen von der Schwarz-Weiß-Sicht, wonach immer nur entweder Bahn oder eine andere Entwicklung möglich ist“, so Gastel. Es wird deutlich, dass ein Umdenken notwendig ist, um die Bedürfnisse der Stadtentwicklung und den Bahnbetrieb in Einklang zu bringen.
Die Situation ist angespannt, und die Zeit drängt. Während die Ampel-Koalition an Lösungen arbeitet, bleibt abzuwarten, ob sie schnell genug handeln kann, um die zahlreichen Projekte zu retten, die durch die gesetzlichen Änderungen ins Stocken geraten sind. Die Planer und Kommunen stehen bereit, die Herausforderungen anzunehmen, aber ohne eine klare Richtungsweisung aus Berlin könnte das Licht am Ende des Tunnels schnell wieder erlöschen.