In der Region Neckar-Alb in Baden-Württemberg hat die Bürgerinitiative „Gegenwind Neckar-Alb“ eine fast unglaubliche Zahl von 440.000 Einsprüchen gegen die geplante Windkraft gesammelt. Dieses massive Volumen soll den Protest der Anwohner gegen Windkraftflächen verdeutlichen, jedoch zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass es sich um eine eher trügerische Zahl handelt. Ein großer Teil dieser Einsprüche wurde von den Mitgliedern der Initiative online erstellt und danach in Papierform beim Regionalverband eingereicht.
Die Bürgerinitiative druckte etwa 280.000 Einsprüche aus, die dann in 718 Kartons beim Regionalverband abgegeben wurden. Dies wirft Fragen zur Notwendigkeit solcher Papierberge auf, da die Einsprüche auch digital hätten eingereicht werden können. Ihre Aktion fordert nicht nur die Behörden heraus, sondern sorgt auch für Aufregung bei Befürwortern erneuerbarer Energien, die den Aufwand als unangemessen empfinden.
Region Neckar-Alb ragt heraus
In anderen Regionen Baden-Württembergs sind ebenfalls Einsprüche eingegangen, doch die Anzahl in Neckar-Alb ist bislang unerreicht. Zum Beispiel stehen dem Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg lediglich 16.000 Einsprüche gegenüber. Dies ist ein klarer Hinweis auf den besonderen Widerstand in der Neckar-Alb-Region, wo bis September 2025 dringend Vorranggebiete für Windkraft festgelegt werden müssen.
Die Frist hat für die Kommunen weitreichende Folgen: Sollten die Vorranggebiete nicht rechtzeitig erfasst werden, könnte dies zu einer unregulierten Verbreitung von Windkraftanlagen führen, was die lokalen Behörden in eine schwierige Lage bringen würde. Das befürchten auch Windkraft-Befürworter, die sich über die möglichen Konsequenzen der Verzögerungen besorgt zeigen.
Herbert Bitsch, Mitbegründer von „Gegenwind Neckar-Alb“, betonte jedoch, dass ein Scheitern der Planungen nicht im Interesse der Bürgerinitiative liege, da dies auch eine größere Anzahl an Windrädern nach sich ziehen könnte. Dennoch zeigt die Wahl der Mittel, durch die Papierflut aufzufallen, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Planungen vermisst wird.
Unnötige Papierberge produziert
Die Art und Weise, wie die Einsprüche organisiert wurden, sorgte für Kritik aus den Reihen des Bundesverbands WindEnergie (BWE). Geschäftsführer Wolfram Axthelm äußerte sich besorgt über die Auswirkungen solcher Aktionen auf den öffentlichen Dialog. Er betonte, dass die Digitalisierung der Verfahren dringend vorangetrieben werden müsse, um diese Form der Einflussnahme nicht weiter zu fördern.
Die regionalen Stadtwerke berichteten, dass die Anwohner dringend mehr Erfahrungen mit Windanlagen sammeln müssen, da bisher in den Kreisen von Tübingen, Reutlingen und Zollernalb noch kaum Windkraftprojekte realisiert wurden. Die Akzeptanz neuer Windkraftanlagen sei in Regionen mit bestehenden Windparks erfahrungsgemäß höher.
Das zeigt sich auch in den Bemühungen der BWE, die Beteiligungsverfahren zu rationalisieren und zu digitalisieren. Axthelm weist darauf hin, dass mit den jüngsten Änderungen im Bundesimmissionsschutzgesetz erste Schritte in diese Richtung gemacht worden seien. Er plädiert dafür, dass auch in Baden-Württemberg zeitnah gesetzliche Neuerungen erlassen werden, um diese Prozesse zu beschleunigen.
Massenprotest oder Scheinriese?
Eine Analyse der eingereichten Einsprüche zeigt, dass viele dieser Stimmen möglicherweise lediglich von wenigen Personen stammen, die mit mehreren Einsprüchen an den Regionalverband herangetreten sind. Dies könnte die tatsächliche Anzahl der Protestierenden erheblich schmälern, was an der Metapher des „Scheinriesen“ aus dem Kinderbuch Jim Knopf erinnert. Der Eindruck der gesamten Bewegungsstärke wird dadurch etwas schmelzen, auch wenn es das Problem für die Verantwortlichen nicht unbedingt lindert.
Die Problematik ist, dass trotz der hohen Anzahl an Einsprüchen der Widerstand gegen Windkraft in der Region weiterhin stark zu sein scheint. Der Energieversorger Stadtwerke Tübingen hat auch festgestellt, dass die Strategie, Windkraft zu blockieren, zunehmend populär wird, was eine Herausforderung für die zukünftige Entwicklung erneuerbarer Energien darstellt.
Der Druck auf die Regionalverbände und die politische Ebene wird also steigen, und eine digitale Eingabe wird von den Verantwortlichen gefordert, damit die Verfahren effektiver und transparenter gestaltet werden können. Die aktuelle Situation könnte als Warnung verstanden werden, dass die Einhaltung der Fristen für Vorranggebiete in der Windkraftpolitik von größter Bedeutung ist, um einen weiteren Anstieg des Widerstands gegen nachhaltige Energieprojekte zu vermeiden.
Für weitere Informationen, siehe die aktuelle Berichterstattung auf www.tagesschau.de.