Die Universität Hohenheim hat in einer Pressekonferenz eine neue Studie vorgestellt, die hohe Fallzahlen von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) für das Jahr 2024 prognostiziert. Obwohl die Anzahl der FSME-Fälle in Deutschland im Jahr 2023 gesunken ist, warnt die Studie vor einem langfristigen Trend nach oben. Ein Grund dafür ist, dass Zecken als Überträger der Krankheit mittlerweile das ganze Jahr über aktiv sind. Zudem hat sich der Rhythmus von FSME-Erkrankungen in den letzten Jahren geändert, sodass nun alle zwei Jahre eine hohe Anzahl an Fällen gemeldet wird, anstatt wie zuvor alle drei Jahre. Die Dunkelziffer bei FSME-Infektionen ist zudem erheblich höher als bisher angenommen, das Virus wird siebenmal häufiger übertragen als bisher bekannt.
In Baden-Württemberg ist die Zahl der FSME-Fälle im vergangenen Jahr von 209 auf 143 gesunken. Auch in Bayern gab es mit 265 Fällen weniger Infektionen als im Vorjahr (291). Bundesweit wurden vom Robert-Koch-Institut (RKI) insgesamt 527 Fälle gemeldet, im Jahr 2022 waren es noch 627.
Dennoch warnen die Expert:innen vor einer falschen Einschätzung der Situation. Infektionszahlen unterliegen jährlichen Schwankungen, aber der langfristige Trend zeigt eindeutig nach oben, betont Dr. Rainer Oehme, Laborleiter des Landesgesundheitsamts in Baden-Württemberg.
Die meisten FSME-Fälle treten nach wie vor in den südlichen Bundesländern auf. Bayern und Baden-Württemberg sind besonders betroffen, aber auch in den nördlichen Regionen Deutschlands, wie Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen und Thüringen, steigt die Anzahl der Fälle massiv an. Selbst in Schweden wurde ein Rekordwert verzeichnet.
Ein möglicher Grund für den Anstieg der FSME-Fälle ist die veränderte Zeckenaktivität. Im Jahr 2023 begann die Zeckenaktivität extrem früh, was sich in den FSME-Zahlen widerspiegelt. In diesem Jahr wurden bereits erste Fälle in Baden-Württemberg und Bayern gemeldet, obwohl dies normalerweise nicht zu erwarten wäre. Die Zecken haben keine Winterpause mehr, sodass sich das FSME-Geschehen zeitlich nach vorne verlagert hat.
Zudem haben sich die Frequenz hochaktiver Zeckenjahre erhöht. Früher gab es alle drei Jahre besonders hohe FSME-Zahlen, seit etwa 2017 beobachtet man jedoch einen zweijährigen Rhythmus. Daher ist laut Dr. Oehme in diesem Jahr mit hohen FSME-Zahlen im Südwesten Deutschlands zu rechnen.
Ein weiterer besorgniserregender Aspekt ist das vermehrte Auftreten von sogenannten Naturherden. In diesen räumlich begrenzten Gebieten finden sich viele FSME-positive Zecken. Im Kreis Ravensburg zum Beispiel gab es im Jahr 2007 acht solcher Naturherde, 2023 waren es bereits 25. Es ist noch unklar, warum diese Gebiete räumlich so begrenzt sind und warum sie sich immer weiter ausbreiten.
Die Dunkelziffer bei FSME-Infektionen ist höher als bisher angenommen. Eine neue Studie von Prof. Dr. Gerhard Dobler vom Nationalen Konsiliarlabor FSME hat gezeigt, dass das Risiko einer FSME-Infektion in bestimmten Gebieten siebenmal höher ist als bekannt. Nicht alle Infektionen werden erkannt, und auch bei leichten Verläufen können Langzeitfolgen auftreten.
Aufgrund der steigenden Fallzahlen wird die FSME-Impfung immer wichtiger, auch bei Kindern. Laut einer Untersuchung des RKI können schwere Infektionen Langzeitfolgen haben, wie Konzentrationsschwierigkeiten und Probleme mit der Balance. Eine Grundimmunisierung mit drei Impfungen und eine Auffrischimpfung alle fünf Jahre werden empfohlen.
Die Studie der Universität Hohenheim zeigt, dass FSME eine ernstzunehmende Gefahr darstellt und dass die Zahl der Erkrankungen in den kommenden Jahren weiter steigen wird. Die Bevölkerung, insbesondere in den Risikogebieten, wird dazu aufgerufen, sich impfen zu lassen, um sich vor den Folgen von FSME zu schützen.
Tabelle: FSME-Fälle in Bayern (Quelle: Robert-Koch-Institut)
Jahr | Anzahl der Fälle |
---|---|
2020 | 358 |
2021 | 314 |
2022 | 291 |
2023 | 265 |
2024 | Prognose: hoch |
Quelle: Universität Hohenheim / ots