Führende Politiker aus der gesamten politischen Spaltung in Berlin haben die Wiedereinführung der Wehrpflicht gefordert, da Deutschland seine Beziehungen zu seinen Streitkräften neu bewertet.
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht würde der deutschen Gesellschaft „sehr gut tun“ und dazu beitragen, die Menschen zusammenzubringen, sagte Carsten Linnemann, stellvertretender Vorsitzender der CDU, am Sonntag.
Zu der Debatte gehören einflussreiche Stimmen aus der regierenden Mitte-Links-SPD, die auch eine Rückkehr der Wehrpflicht für Männer und Frauen über 18 fordert.
„Was wir im Moment erleben, ist, dass Frieden kein Naturgesetz ist“, sagte Linnemann dem Sender ZDF. Er fügte hinzu, dass die Wehrpflicht einer Polarisierung in der Gesellschaft entgegenwirken würde, in der sich „zu viele Menschen dem Staat stellen“.
Noch 2011 mussten alle erwachsenen deutschen Männer ein Jahr Wehrdienst leisten, konnten sich aber aus moralischen Gründen für den Dienst in der Zivilgesellschaft entscheiden.
Das damals verabschiedete Gesetz zur Aussetzung des Nationaldienstes machte deutlich, dass das Einfrieren in Zeiten des Krieges oder erhöhter internationaler Spannungen aufgehoben werden konnte.
In den letzten Jahren gab es immer wieder Forderungen nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht. Aber in den letzten Tagen, als Deutschland seine pazifistische Haltung in der Außenpolitik im Zuge des Ukraine-Konflikts konfrontierte, wurden die Rufe nach einer Debatte über das Thema lauter.
Wehrpflicht „braucht gesellschaftlichen Konsens“
Johann Wadephul, stellvertretender CDU-Bundestagsvorsitzender, sagte der Zeitung „Die Welt“, der Wehrdienst sei „eine Chance, viel mehr Rekruten zu finden“. Er schlug vor, dass dies mit dem Sammeln von Punkten in einem Rentensystem oder einem erleichterten Zugang zu Studienplätzen verbunden sein könnte.
Der SPD-Verteidigungssprecher im Bundestag, Wolfgang Hellmich, sagte vergangene Woche gegenüber einer Lokalzeitung, die Wehrpflicht helfe, „das Gemeinschaftsgefühl zu fördern“.
Er fügte hinzu: „Wir müssen die Debatte darüber dringend führen, da es einen gesellschaftlichen Konsens braucht.“
Aber andere Politiker haben den Vorschlag als Ablenkung in einer Zeit bezeichnet, in der die Bundeswehr ihre Energie auf die Modernisierung ihrer veralteten Ausrüstung konzentrieren muss.
Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU im Bundestag, sagte: „Wir brauchen Technik und Waffensysteme, nicht Köpfchen. Wehrpflicht ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Thema.“
Auch Bundeswehrbeauftragte Eva Högl (SPD) bezeichnete den Vorschlag als „eine theoretische Diskussion, die in der aktuellen Situation nicht hilfreich ist“.
Deutschland will Verteidigungsausgaben erhöhen
Die Bundeswehr wird seit Jahren von verheerenden Schlagzeilen über defekte Hubschrauber und aussetzende Sturmgewehre geplagt.
Einem im Januar veröffentlichten Bericht zufolge waren nur 77 Prozent der Waffensysteme der Bundeswehr einsatzbereit.
Der Krieg in der Ukraine hat die Defizite der deutschen Streitkräfte dramatisch gemildert und zu einem dramatischen Wendepunkt geführt – mit der Ankündigung von Olaf Scholz, dem deutschen Bundeskanzler, einen 100-Milliarden-Euro-Fonds bereitzustellen, um die Bundeswehr wieder kampffähig zu machen.
Deutschland hinkt seit Jahren einer Zusage der Nato hinterher, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Herr Scholz bestätigte jedoch auch, dass die Ausgaben jetzt über das Zwei-Prozent-Ziel steigen würden.
Finanzminister Christian Lindner, der selbst Reserveoffizier ist, hat versprochen, die Bundeswehr zur „schlagkräftigsten“ in Europa zu machen.
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Quelle: The Telegraph