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China instrumentalisiert UN-Ernährungsorganisation FAO: Recherche deckt Einflussnahme auf

Titel: Chinesische Führung instrumentalisiert Welternährungsorganisation FAO für eigene Interessen

Untertitel: ARD-Recherche enthüllt Verbindungen zu Pestizid-Lieferungen und „Neuer Seidenstraße“

Am kommenden Wochenende steht die Wahl des Generaldirektors der Welternährungsorganisation FAO an. Doch der einzige Kandidat und Amtsinhaber Qu Dongyu steht in der Kritik. Eine Recherche von ARD, BR, MDR, rbb und SWR zeigt, wie die chinesische Führung die Organisation in den letzten vier Jahren auf chinesische Interessen zugeschnitten hat.

Die FAO, als Sonderorganisation der Vereinten Nationen, hat das Ziel, den Hunger in der Welt bis 2030 zu beenden und Nahrungsmittelsicherheit für alle Menschen zu erreichen. Doch laut der Recherche wurden unter der Führung von Qu Interessen Chinas durch Lieferungen verbotener Pestizide, Projekte im Einklang mit der „Neuen Seidenstraße“ und zweifelhafte Investitionsvorhaben vorangetrieben.

Ein Insider aus der FAO wandte sich Anfang des Jahres an die ARD und berichtete, dass sich die Organisation seit dem Amtsantritt von Qu massiv verändert habe. Die Recherche führte die Reporter auf vier Kontinente und zeigt das Ausmaß der Einflussnahme. Dabei wurden ein geleakter Datensatz, interne Unterlagen und Gespräche mit Mitarbeitern und Experten genutzt.

Deutschland, eines von 194 Mitgliedsländern der FAO, zahlte im Jahr 2021 über 100 Millionen Euro an die Organisation und ist nach den USA der zweitgrößte Geldgeber. Allerdings werden Deutschland und andere europäische Länder nicht in der Recherche erwähnt.

Bei der Wahl zum Generaldirektor im Jahr 2019 setzte sich Qu im ersten Wahlgang gegen eine Kandidatin der Europäischen Union und einen von den USA unterstützten Bewerber aus Georgien durch. Ihm werden Verdienste für Chinas globales Infrastrukturprojekt „Neue Seidenstraße“ zugeschrieben. Zudem wurden Schulden des afrikanischen Staates Kamerun in Höhe von 80 Millionen Dollar von China erlassen, woraufhin ein Gegenkandidat aus Kamerun seine Kandidatur zurückzog.

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Die Recherche zeigt auch, dass unter der Führung von Qu eine enge Verbindung zwischen der UN-Organisation und China hergestellt wurde. So erhielt das chinesische Landwirtschaftsministerium den Auftrag für die Entwicklung einer neuen FAO-Webseite, anstatt an eine IT-Firma. Zudem wurden viele wichtige Posten innerhalb der Organisation an Chinesen vergeben. Auch eine Gruppe von Mitarbeitern, genannt „Officer“, deren Gehälter aus Peking bezahlt werden und die der chinesischen Botschaft in Rom über ihre Arbeit berichten müssen, wird in den internen Unterlagen erwähnt.

Besonders alarmierend sind die Pestizid-Lieferungen der FAO unter chinesischer Führung. Pestizide mit Wirkstoffen, die in der EU verboten sind, wurden für Projekte in verschiedenen Ländern genehmigt. Dabei stammen viele dieser Pestizide von einem chinesischen Agrochemiekonzern namens Syngenta. Die FAO hat eine Partnerschaft mit dem Unternehmen geschlossen, während keine solche Kooperation mit anderen Pestizidherstellern besteht.

Des Weiteren dienen mehrere Projekte der FAO dem chinesischen Infrastrukturprojekt „Neue Seidenstraße“. So wurden Rinder in Laos geimpft, um sie anschließend nach China zu exportieren. Ebenso werden durch das „Flagship“-Programm der FAO Investitionen in den Ausbau von Häfen und Tourismus in einem afrikanischen Inselstaat gefördert. Dies würde chinesischen Unternehmen einen Vorteil verschaffen, da westliche Firmen bisher die Marktmacht in der Agrarlogistik haben.

Die FAO reagiert auf einen umfassenden Fragenkatalog nicht inhaltlich und ein vereinbartes Gespräch mit dem Chefökonomen der Organisation wird abgesagt.

Qu kandidiert Anfang Juli für eine zweite Amtszeit als Generaldirektor der FAO. Alle Gegenkandidaten haben ihre Kandidatur zurückgezogen und weder Europa noch die USA haben Bewerber aufgestellt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium äußert sich mit Blick auf Qus erste Amtszeit zurückhaltend und bezeichnet die Instrumentalisierung der FAO für unilaterale Interessen als inakzeptabel.

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Die ARD-Dokumentation „China. Macht. Essen“ sowie der tagesschau-Podcast 11km zum Thema sind in der ARD Mediathek und ARD Audiothek verfügbar.

Sophie Müller

Sophie Müller ist eine gebürtige Stuttgarterin und erfahrene Journalistin mit Schwerpunkt Wirtschaft. Sie absolvierte ihr Studium der Journalistik und Betriebswirtschaft an der Universität Stuttgart und hat seitdem für mehrere renommierte Medienhäuser gearbeitet. Sophie ist Mitglied in der Deutschen Fachjournalisten-Assoziation und wurde für ihre eingehende Recherche und klare Sprache mehrmals ausgezeichnet. Ihre Artikel decken ein breites Spektrum an Themen ab, von der lokalen Wirtschaftsentwicklung bis hin zu globalen Finanztrends. Wenn sie nicht gerade schreibt oder recherchiert, genießt Sophie die vielfältigen kulturellen Angebote Stuttgarts und ist eine begeisterte Wanderin im Schwäbischen Wald.

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