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Große Mehrheit der Deutschen hält Kirchensteuer für nicht mehr zeitgemäß

Kirchensteuer in Deutschland laut Umfrage nicht mehr zeitgemäß

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur zeigt, dass rund drei Viertel der Menschen in Deutschland die Kirchensteuer nicht mehr für zeitgemäß halten. Lediglich 13 Prozent der Befragten finden das Einziehen der Kirchensteuer noch angemessen, während 13 Prozent keine Angaben oder keine Meinung dazu haben.

Trotz schwindender Mitgliederzahl haben die katholische und die evangelische Kirche im vergangenen Jahr hohe Kirchensteuereinnahmen verbucht. Die Deutsche Bischofskonferenz nahm mehr als 6,8 Milliarden Euro Kirchensteuern ein, während es bei der Evangelischen Kirche in Deutschland über 6,2 Milliarden Euro waren.

Laut einer Prognose der beiden Kirchen könnten die Kirchensteuereinnahmen bis ins Jahr 2060 auf etwa 13 Milliarden Euro stabil bleiben. Allerdings werden gleichzeitig die Ausgaben stark steigen und in rund 40 Jahren bei knapp 25 Milliarden Euro liegen. Die Kaufkraft wird voraussichtlich um die Hälfte niedriger sein als 2017, weshalb die Kirchen bereits einen Sparkurs eingeschlagen haben.

Der massive Mitgliederverlust bereitet beiden großen Kirchen große Sorgen. Im Jahr 2022 traten mehr als eine halbe Million Menschen aus der katholischen und rund 380.000 aus der evangelischen Kirche aus. Inzwischen ist die Mehrheit der Deutschen nicht mehr Mitglied einer der beiden Kirchen.

Für viele Menschen, die sich in der Umfrage als Christen bezeichneten, könnte das Zahlen der Kirchensteuer auch ein Grund für einen Kirchenaustritt sein. Der Sprecher der katholischen Reformbewegung «Wir sind Kirche», Christian Weisner, betrachtet dies als „höchst alarmierend“. Er stellt die Frage, warum er sein ganzes Leben lang für eine Institution zahlen sollte, deren Leistungen und Einrichtungen er ohnehin nicht in Anspruch nimmt.

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Die deutsche Kirchensteuer ist im Vergleich zu anderen Ländern ein besonderes Phänomen. Sie besteht seit dem 19. Jahrhundert und beträgt derzeit acht bis neun Prozent der Lohn- und Einkommensteuer. Die Kirchen zahlen dem Staat Gebühren für das Einziehen und Weiterleiten der Steuer. In Bayern wird die Kircheneinkommensteuer durch eigene Kirchensteuerämter festgesetzt und erhoben.

Die Befürworter der Kirchensteuer betonen, dass diese nicht für private Vergnügungen, sondern für viele gemeinnützige Zwecke verwendet werde. Der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, betonte beispielsweise beim Sommerempfang seines Erzbistums, dass die Kirchensteuer unter anderem Schulen, Einrichtungen, Kindergärten und ganze Regionen finanziere.

In der Umfrage bezeichneten 61 Prozent aller Befragten die karitativen Aufgaben der Kirche als wichtig oder sehr wichtig. Ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland betonte daher, dass die Kirchensteuer wichtig sei, um diese sozialen Aufgaben weiterhin finanzieren zu können.

Der Religionspädagoge Ulrich Riegel sieht ebenfalls große Einschnitte ohne die Kirchensteuer. Viele Angebote, darunter auch wohltätige Initiativen, könnten ohne die Kirchensteuer nicht aufrechterhalten werden. Er verweist jedoch auch auf das Beispiel Italiens, wo die Kirchensteuer abgeschafft wurde; dort gebe es die Kirche immer noch. Ob es den italienischen Kirchen nun besser gehe, müsse jedoch noch erörtert werden.

Die Umfrage zeigt auch, dass der Skandal um sexuellen Missbrauch für viele Menschen ein möglicher Grund für einen Kirchenaustritt ist. Fast die Hälfte der Befragten nannte dies als möglichen Grund. Weitere Gründe waren ein schwindender Glaube und ein Reformstau. Nur 18 Prozent gaben an, dass es für sie keinen Grund gäbe, aus der Kirche auszutreten.

Experten gehen davon aus, dass auf die katholische Kirche eine Klagewelle wegen sexuellen Missbrauchs zukommen könnte, was die Bistümer finanziell zusätzlich in Bedrängnis bringen würde.

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Sophie Müller

Sophie Müller ist eine gebürtige Stuttgarterin und erfahrene Journalistin mit Schwerpunkt Wirtschaft. Sie absolvierte ihr Studium der Journalistik und Betriebswirtschaft an der Universität Stuttgart und hat seitdem für mehrere renommierte Medienhäuser gearbeitet. Sophie ist Mitglied in der Deutschen Fachjournalisten-Assoziation und wurde für ihre eingehende Recherche und klare Sprache mehrmals ausgezeichnet. Ihre Artikel decken ein breites Spektrum an Themen ab, von der lokalen Wirtschaftsentwicklung bis hin zu globalen Finanztrends. Wenn sie nicht gerade schreibt oder recherchiert, genießt Sophie die vielfältigen kulturellen Angebote Stuttgarts und ist eine begeisterte Wanderin im Schwäbischen Wald.

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