Inga Krauss aus Wangen erlebte einen tiefgreifenden Schicksalsschlag, als ihr Ehemann Anfang 2017 nach einem Kampf mit Krebs starb. Mit erst 40 Jahren und zwei kleinen Kindern stellte sich die Frage, wie es weitergehen sollte, und die finanziellen Sorgen wurden bald zu einer erdrückenden Last. „Das war eine echte Katastrophe“, erinnert sich die heute 48-Jährige. Der Verlust ihres Mannes setzte einen Stein ins Rollen, der sie von einer betroffenen Witwe zu einer Aktivistin machte.
Krauss musste schnell Entscheidungen treffen, und die Unsicherheit, wie es mit dem Haus, der Rente und den Steuern weitergehen sollte, war überwältigend. Um den finanziellen Druck zu mindern, beschloss sie, das Haus zu verkaufen. Doch die finanzielle Absicherung, die Hinterbliebene nach dem Verlust eines Partners in Deutschland durch die Witwenrente erwarten können, stellte sich als viel komplizierter heraus als gedacht.
Die Herausforderungen der Hinterbliebenenrente
In Deutschland erhalten Hinterbliebene, die anspruchsberechtigt sind, eine Witwenrente, die sich aus einem Prozentsatz der Rente des verstorbenen Partners berechnet. Krauss berichtete, dass ihr Mann trotz eines gut bezahlten Jobs als Selbstständiger nicht in das Rentensystem einzahlen konnte, was zu einer mageren Rente von nur 577 Euro pro Monat führte. „Das ist die Unterhaltsersatzleistung eines sechsstelligen Jahreseinkommens!“
Mit der Zeit stellte sich Krauss die Frage, wie viele andere Witwen in ähnlicher Lage sind. Laut aktuellen Zahlen beziehen 1,2 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland eine Witwenrente, von denen 85 Prozent Frauen sind. Krauss sieht viele von ihnen in einer prekären finanziellen Lage und war sich sicher, dass die bestehenden Regelungen dringend reformiert werden müssen, um finanzielle Gerechtigkeit zu schaffen.
Die aktuellen Gesetze ignorieren oft die realen Herausforderungen, mit denen viele Witwen konfrontiert sind. Insbesondere die Anrechnung von Einkünften auf die Witwenrente und die Besteuerung des Einkommens empfindet Krauss als ungerecht. Die bestehenden Regelungen führen dazu, dass viele Witwen nicht in der Lage sind, wieder in den Arbeitsmarkt einzutreten oder ihre Arbeitsstunden zu erhöhen, da sie sonst Gefahr laufen, ihre ohnehin niedrige Rente zu schmälern.
„Die letzten Stunden, die ich aufstocken würde, liegen weit unter dem Mindestlohn“, führt sie aus. In einer Zeit, in der Fachkräfte gesucht werden, sei es widersinnig, talentierte Personen aus dem Arbeitsmarkt zu drängen.
Ein weiteres Problem sind die zusätzlichen Abzüge aufgrund der nachgelagerten Besteuerung am Jahresende. „Zwei bis drei Monatsrenten fallen weg“, klagt Krauss und betont, dass diese Regelungen viele Witwen frustrieren und ihre Bemühungen um eine bessere finanzielle Situation erschweren.
Politischer Wandel in Sicht
Die Berliner Ampel-Regierung hat inzwischen erkannt, dass Handlungsbedarf besteht und plant, die Regeln zu reformieren. Ein neuer Freibetrag von voraussichtlich 538 Euro soll eines Tages nicht auf die Witwenrente angerechnet werden. Dies stellt einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar, so Krauss, die sich über die angekündigte Reform „irre gefreut“ hat.
Dennoch hat sie gemischte Gefühle in Bezug auf diese maßgebliche Veränderung. „Warum nicht das Durchschnittseinkommen anrechnungsfrei machen?“, fragt sie und kritisiert, dass nur der gesetzliche Mindestlohn nicht angerechnet werden soll. Mit einem derartigen Ansatz, so Krauss, werde das ganze Konstrukt nicht nur unnötig kompliziert, sondern auch frauenfeindlich, da überwiegend Frauen von der Hinterbliebenenrente betroffen sind.
Zusätzlich äußert Manuel Hagel, der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg, seine Unterstützung für Krauss und andere Witwen. „So habe ich großes Verständnis dafür, dass die Einkommensanrechnung vielfach als ungerecht und erwerbsfeindlich angesehen wird. Eine grundlegende Überarbeitung ist erforderlich“, erklärt er in einem Brief an die Bundesregierung. Hagel plädiert dafür, die Hinzuverdienstgrenzen ganz abzuschaffen, damit Witwen so viel hinzuverdienen können, wie sie möchten, ohne ihre Rente zu gefährden.
Krauss selbst sieht die Notwendigkeit, die Bürokratie zu reduzieren, um den Witwen eine bessere Übersicht zu bieten. Ihre zentrale Forderung ist klar: „Die Hinzuverdienstgrenze muss abgeschafft werden. Weg damit!“
– NAG