Das Amtsgericht Karlsruhe hat entschieden, dass Sozialarbeiter:innen zur Aussage über vertrauliche Informationen ihrer Klient:innen verpflichtet werden können, auch wenn dies potenziell schädlich für diese ist. Dieses Urteil könnte das fragile Vertrauensverhältnis zwischen Sozialarbeitern und Klienten erheblich stören. Seit den 1970er-Jahren wird eine Ausweitung des Rechts auf Zeugnisverweigerung für Sozialarbeiter:innen vehement gefordert. Die Verurteilung von drei Karlsruher Sozialarbeiter:innen belebt die Debatte um diese Thematik erneut.
Nach Angaben von Kontext Wochenzeitung bezeichnete eine Sprecherin der Fußball-Fanprojekte in Deutschland das Urteil als „Schlag ins Gesicht“ und als Zäsur für die soziale Arbeit. Auch Doreen Siebernik vom GEW-Vorstand äußerte sich solidarisch mit den Betroffenen, die aufgrund ihrer verantwortungsvollen Arbeit bestraft werden. Die betroffenen Sozialarbeiter:innen erhalten Unterstützung von ihrem Träger sowie vom Karlsruher SC.
Hintergrund des Urteils
Laut Bundesarbeitsgemeinschaft der Fachverbände für Soziale Arbeit müssen die drei Sozialarbeiter:innen Aussagen über vertrauliche Informationen, die sie im Rahmen ihrer Arbeit im Karlsruher Fanprojekt gesammelt haben, machen. Bei einer Weigerung drohen ihnen Ordnungsgeld oder Beugehaft. Diese Forderung steht im Zusammenhang mit einem Vorfall aus dem April, als Brandsätze von Fußballfans im Stadion gezündet wurden, wodurch elf Personen verletzt wurden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt aufgrund von gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz.
Das Gericht unterscheidet zwischen Sozialarbeitern und anderen Berufsgeheimnisträgern wie Psychotherapeut:innen oder Hebammen, für die das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO) gilt. Diese Entscheidung stößt auf Kritik von Berufsverbänden, die ein Zeugnisverweigerungsrecht auch für die Soziale Arbeit fordern. Befürchtungen bestehen, dass eine Verpflichtung zur Aussage das Vertrauen der Klient:innen in Sozialarbeiter:innen gefährden könnte. Der letzte Grundsatzurteil zu diesem Thema liegt über 50 Jahre zurück, und während die sächsischen Regierungsfraktionen eine Bundesratsinitiative für ein entsprechendes Recht beschlossen haben, bleibt ungewiss, wann eine mögliche Gesetzesänderung im Bundestag thematisiert wird.