Ein frohes neues Jahr? Ja, Sie haben richtig gehört! Der 1. September bringt in Jerusalem nicht nur den Wechsel der Jahreszeit, sondern auch den Beginn eines neuen Kirchenjahres, besonders für unsere orthodoxen Geschwister. Während der westliche Christ sein neues Jahr traditionell am ersten Adventssonntag begrüßt, treten hier die verschiedenen religiösen Traditionen in den Vordergrund, die das Jahr unterschiedlich beginnen lassen.
In Jerusalem wird das Fest des neuen Jahres in einem breiteren Kontext betrachtet. Für unsere jüdischen Freunde steht Rosch Haschana, das jüdische Neujahrsfest, an, das heuer Anfang Oktober gefeiert wird. Und unsere muslimischen Freunde erleben eine Jahreswende, die sich im Laufe des islamischen Kalenders ständig verschiebt. Der 1. Januar hat also nur begrenzte Bedeutung, da die religiösen und kulturellen Unterschiede eine Vielfalt an Neuanfängen bieten. Dies zeigt, wie vielfältig der Jahreswechsel ist und wie jeder Einzelne eine einzigartige Perspektive darauf hat.
Schöpfung und Dankbarkeit
Besonders bemerkenswert ist der 1. September auch in einem ganz anderen Licht. Papst Franziskus hat diesen Tag als Tag zur Bewahrung der Schöpfung ausgerufen. Dies geschieht im Sinne einer ökumenischen Freundschaft, um das Bewusstsein für unsere Verantwortung gegenüber der Erde zu schärfen. Die Frage, was wir der Schöpfung und einander anvertrauen, wird an diesem Tag besonders betont. Es ist eine Zeit, in der Menschen innehalten, um über ihre Dankbarkeit für das zurückliegende Jahr nachzudenken.
Die Bedeutung des 1. Septembers erstreckt sich sogar auf weltliche Ebenen, da in vielen Regionen auch das Schuljahr beginnt. Das Ende der Sommerferien bringt eine Zeit des Neuanfangs für Schüler und Studenten mit sich. Diese Übergangszeit ist nicht nur ein praktischer Wechsel, sondern auch eine Gelegenheit, die eigenen Sehnsüchte und Bedürfnisse zu reflektieren. Was haben Sie im vergangenen Jahr gelernt? Was wünschen Sie sich für die kommenden Monate?
Abt Nikodemus, der aus Stuttgart stammt und in einer Künstlerfamilie aufgewachsen ist, bezieht seine Perspektive auf diese bedeutenden Zeiten stark aus seiner frühen und bewegten Kindheit. Nach seinem Theologiestudium in Städten wie Fulda, Jerusalem, München, Münster und Wien lebt er heute in der Benediktinerabtei Dormitio auf dem Berg Zion. Hier, an einem der faszinierendsten Orte der Welt, verbindet sich die Geschichte mit der Gegenwart in unerwarteter Weise.
Mit seiner Botschaft aus Jerusalem lädt Abt Nikodemus dazu ein, das persönliche Jahr in einem spirituellen und praktischen Licht zu betrachten. Seine Frage nach der Dankbarkeit und den Hoffnungen für die kommenden Monate regt zum Nachdenken an. Was bedeutet ein neues Jahr für Sie? Wofür sind Sie dankbar und was träumen Sie für die Zukunft?
Sein Aufruf ist nicht nur an die gläubigen Menschen gerichtet, sondern findet auch ein Echo in der säkularen Gesellschaft. Die Suche nach Sinn und das Bewusstsein für unsere Verantwortung, sowohl gegenüber der Schöpfung als auch gegenüber unseren Mitmenschen, sind Themen, die heute jeden betreffen.
In dieser Zeit des Wandels und der Reflexion bietet der 1. September viele Gelegenheiten zur inneren Einkehr und zur Neuorientierung. Abt Nikodemus‘ Gedanken erinnern uns daran, dass der Neuanfang nicht auf einen bestimmten Tag beschränkt sein muss, sondern jederzeit möglich ist, wenn wir unsere Perspektive ändern und unser Bewusstsein erweitern.
– NAG