
Als Willy Brandt am 24. April 1974 am Flughafen Köln-Bonn nach einer Dienstreise landete, erwarteten ihn sein Kanzleramtschef Horst Grabert und Innenminister Hans-Dietrich Genscher mit einer besonderen Nachricht. An diesem Tag waren Brandts Referent Günter Guillaume und seine Frau Christel als DDR-Spione festgenommen worden, was den Sozialdemokraten dazu bewegte, am 6. Mai 1974 vom Amt des Bundeskanzlers zurückzutreten.
Die Guillaume-Affäre, die sich vor 50 Jahren ereignete, gilt immer noch als einer der spektakulärsten Spionagefälle der Bundesrepublik. Günter und Christel Guillaume, im Auftrag der DDR-Staatssicherheit tätig, hatten es geschafft, weit in das Zentrum der politischen Macht einzudringen. Trotz des historischen Kontextes des Kalten Krieges fasziniert der Fall bis heute, da er die Frage aufwirft, wie ein so hochgeschätzter Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger stürzen konnte.
Der politische Kontext jener Zeit weist frappierende Parallelen zum gegenwärtigen Geschehen auf. Die politischen Unruhen und Herausforderungen, denen Willy Brandt gegenüberstand, spiegeln aktuelle Themen wider. Die Energiesicherheit, Arbeitslosigkeit und die konfliktreichen Beziehungen zu anderen politischen Parteien prägten das politische Klima – ähnlich wie heute.
Günter Guillaume, ursprünglich aus Berlin stammend, war 1956 mit seiner Frau in die BRD übergesiedelt, um im Auftrag der Staatssicherheit tätig zu werden. Seine unauffällige Qualifikation und fragwürdige Sicherheitsüberprüfung hielten ihn jedoch nicht davon ab, bis in das Kanzleramt aufzusteigen. Trotz früher Verdachtsmomente konnte er weiterhin als Referent für Brandt agieren, bis er sich durch eigene Nachlässigkeit im Frühjahr 1974 selbst enttarnte.
Die Ursachen für Brandts Rücktritt werden bis heute diskutiert, wobei die Erpressbarkeit des Kanzlers im Zentrum steht. Die Präsenz von Sexgerüchten, die Guillaumes Zugang zu intimen Informationen über den Kanzler implizierten, sowie Versäumnisse seitens des Verfassungsschutzes und des Innenministeriums führten zur politischen Krise. Brandt selbst sah sich als Opfer einer Intrige, die zu seinem Rücktritt führte. Günter Guillaume erhielt später eine langjährige Haftstrafe, die er jedoch im Austausch gegen Bundesbürger in die DDR absaß.