Oberlandesgericht entscheidet: Focus darf Ärzte-Siegel verkaufen!

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Bericht über das Urteil des Oberlandesgerichts München zur Vergabe von „Top-Mediziner“-Siegeln durch Focus und dessen rechtliche Implikationen.

Bericht über das Urteil des Oberlandesgerichts München zur Vergabe von „Top-Mediziner“-Siegeln durch Focus und dessen rechtliche Implikationen.
Bericht über das Urteil des Oberlandesgerichts München zur Vergabe von „Top-Mediziner“-Siegeln durch Focus und dessen rechtliche Implikationen.

Oberlandesgericht entscheidet: Focus darf Ärzte-Siegel verkaufen!

Das Oberlandesgericht München hat am 22. Mai 2025 entschieden, dass das Magazin Focus für die Nutzung seiner Siegel „Top-Mediziner“ und „Empfohlener Arzt in der Region“ von Ärzten und Kliniken Gebühren erheben darf. Dies betrifft unter anderem die Rems-Murr-Kliniken, die diese lizenzierten Siegel aktiv zur Bewerbung ihrer Chefärzte auf ihrer Homepage nutzen. Im Rahmen dieser Vereinbarung zahlen die Kliniken eine Copyright-Pauschale an Focus für die Verwendung der Siegel, um im Wettbewerb um Patienten zu bestehen und ihre Qualität hervorzuheben.

Das Urteil stellt jedoch die Glaubwürdigkeit der Auszeichnungen in Frage. Zuvor hatte das Landgericht München I am 13. Februar 2023 entschieden, dass die Vergabe des „Ärzte-Siegels“ durch Focus gegen das Irreführungsgebot verstößt. Es sei irreführend, da die Aufmachung des Siegels den Eindruck einer objektiven Prüfung der Mediziner erwecke, die tatsächlich jedoch nicht stattfindet. Ärzte können gegen eine Gebühr von rund 2.000 Euro das Siegel erhalten, was bei Verbrauchern Bedenken hinsichtlich der tatsächlichen Qualität ärztlicher Dienstleistungen aufwirft.

Irreführung und Verbraucherschutz

Das Gericht stellte fest, dass Verbraucher fälschlicherweise annehmen könnten, eine neutrale Überprüfung der Mediziner habe stattgefunden, was nicht der Fall ist. Die Qualität medizinischer Dienstleistungen lässt sich nicht objektiv messen oder vergleichen. Diese Feststellungen werfen Fragen zu den ethischen Standards von Medien auf, die aufgrund finanzieller Interessen Siegel gegen Entgelt vergeben. Das Urteil ist derzeit noch nicht rechtskräftig und könnte weitere rechtliche Schritte nach sich ziehen.

Im Kontext der zunehmenden Nachfrage nach qualitätsgesicherten medizinischen Informationen, wie sie in verschiedenen Initiativen zur Qualitätskennzeichnung aufgezeigt werden, wird die Thematik noch relevanter. Aktuell gibt es noch keinen globalen Standard zur Bewertung medizinischer Informationen im Internet. Initiativen wie die Health On the Net Foundation (HON) setzen sich seit 1996 für internationale Standards ein, während das EU-Projekt MedCERTAIN ein dreistufiges Zertifizierungsmodell entwickelt hat.

Rolle der Qualitätsstandards

Die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) bietet einen Qualitätskriterienkatalog für elektronische Publikationen an, während die American Medical Association (AMA) regelmäßig anpassbare Qualitätskriterien entwickelt. Ein gemeinsames Ziel dieser Initiativen ist die Schaffung von verbindlichen Mechanismen zur Bewertung und Kennzeichnung von Qualität medizinischer Informationen.

Wesentliche Komponenten zur Qualitätssicherung umfassen Kriterienkataloge, Bewertungsverfahren sowie unabhängige Prüfinstanzen. Die Medienkompetenz der Nutzer spielt dabei eine entscheidende Rolle, um qualitativ hochwertige Informationen zu erkennen und zu bewerten. Freiwillige Selbstkontrolle durch Anbieter und Expertenurteile sind jedoch notwendig, um die Qualität der Informationen nachhaltig zu gewährleisten.

Zusammenfassend wirft das Urteil des Oberlandesgerichts nicht nur Fragen zur Praktikabilität der medizinischen Auszeichnungen auf, sondern auch zur generellen Transparenz und Ethik im Gesundheitswesen. Die Entwicklung akzeptierter Standards für medizinische Informationen und deren Qualitätsbewertung wird in den kommenden Jahren entscheidend sein, um das Vertrauen der Patienten nicht weiter zu gefährden.

Für weitere Informationen lesen Sie die Berichte von ZVW, LTO und Ärzteblatt.