Stolperschwelle in Rudersberg: Erinnerung an Frauenlager der NS-Zeit!
Rudersberg gedenkt der Opfer eines ehemaligen Frauenlagers mit einer Stolperschwelle, die die Bedeutung des Erinnerns betont.

Stolperschwelle in Rudersberg: Erinnerung an Frauenlager der NS-Zeit!
In Rudersberg wurde am 26. Mai 2025 eine Stolperschwelle verlegt, um an ein ehemaliges Frauenlager zu erinnern, das während der nationalsozialistischen Herrschaft existierte. Der Künstler Gunter Demnig, bekannt für die Gestaltung der „Stolpersteine“, setzte die Stolperschwelle im Ortskern, nahe dem Rathaus, ein. Diese Maßnahme kennzeichnet den Standort des Arbeitserziehungslagers für Frauen, das von 1942 bis 1945 in Betrieb war und in dem über 3000 Frauen aus Osteuropa, Frankreich und Deutschland unter erschreckenden Bedingungen gefangen gehalten wurden. Viele von ihnen wurden später in Konzentrationslager wie Dachau, Auschwitz oder Ravensbrück deportiert. Dies berichteten die Stuttgarter Nachrichten.
Historikerin Sonja-Maria Bauer, die die düstere Geschichte des Lagers erforscht hat, berichtete im Rahmen der Zeremonie über die engen Verknüpfungen des Lagers mit einem benachbarten Holzwerk. Der Betriebsleiter Otto Horn hatte das Gebäude der „Ritterburg“ im Auftrag der Gestapo in ein Lager umgestaltet. Unter der Brutalität des Lagerleiters Emil Held erlitten die Frauen grausame Misshandlungen, waren Hunger und katastrophale hygienische Zustände ausgesetzt, während medizinische Hilfe kaum vorhanden war. Auch politische Gegnerinnen wie Emmy Seitz und Sofie Klenk wurden dort gefoltert und inhaftiert.
Ein Schritt zur Erinnerungskultur
Die dunkle Geschichte des Frauenlagers wurde über Jahrzehnte hinweg verdrängt. Es gab keinen Gedenkort, bis das Engagement von Personen wie Sonja Bauer dazu führte, eine Erinnerungskultur zu etablieren. Schülerinnen des Schulzentrums Rudersberg trugen während der Zeremonie die Biografien einiger Frauen vor, die im Lager litten. Bauer betonte die Notwendigkeit, die Zerbrechlichkeit der Demokratie zu erkennen und die Bedeutung des Erinnerns, um ähnlichen Unrecht zu begegnen. Bürgermeister Raimon Ahrens bezeichnete die Stolperschwelle als „Stolperstein für das Bewusstsein“ und als Anstoß für Gedanken und Erinnerungen.
In der aktuellen Debatte über Erinnerungskultur zeigt eine neue Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, dass es in Deutschland nach wie vor große Wissens- und Erinnerungslücken zur NS-Zeit gibt. Diese Studie, die seit 2017 von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft unterstützt wird, beleuchtet unter anderem die öffentliche Wahrnehmung des Kriegsendes. Viele Befragte bezeichnen „Befreiung“ und „Neuanfang“ als passende Begriffe für das Ende des Zweiten Weltkriegs, während der Begriff „Niederlage“ als unzulänglich angesehen wird.
Die Studie hebt hervor, dass 64,6% der Befragten besorgt sind, die deutsche Erinnerungskultur könne von Rechtspopulisten vereinnahmt werden. Diese Angst ist besonders relevant, wenn man bedenkt, dass nur 40% der Deutschen während der NS-Zeit über die systematische Ermordung von Menschen informiert waren. Fast die Hälfte der Befragten befürwortet eine aktive Erinnerungskultur für gefallene deutsche Soldaten, wobei der Begriff „Opfer“ nicht nur die Verfolgten umfasst, sondern auch Bombenopfer und Vertriebene. Der Sozialpsychologe Michael Papendick betont die Dringlichkeit einer konkreten historischen Bildung, um verzerrte Perspektiven entgegenzuwirken.
Rudersberg zeigt mit der Verlegung der Stolperschwelle einen wichtigen Schritt zur Aufarbeitung der Vergangenheit und zur Etablierung einer kritischen Erinnerungskultur. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Ansatz zur Förderung des Verständnisses und zur Wahrung der demokratischen Werte in einer zunehmend komplexen Welt beiträgt.