Deutschland

ERKLÄRER: Warum Deutschland seinen Atomstillstand hinauszögert

BERLIN (dpa) – Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Vorbereitungen für den Weiterbetrieb aller drei verbleibenden Kernreaktoren des Landes bis Mitte April angeordnet. Der Schritt markiert einen weiteren Haken im langjährigen Plan des Landes, die Nutzung der Atomenergie zu beenden. Hier ein Blick auf die politisch aufgeladene Atomkraftdebatte in Deutschland.

Spaltung des Kalten Krieges

West- und Ostdeutschland begannen in den 1960er Jahren mit der Produktion von Kernenergie, als sie weithin als sichere und saubere Alternative zu der stark umweltschädlichen Kohle angesehen wurde, auf die sich das Land lange Zeit für einen Großteil seines Strombedarfs verlassen hatte. In den folgenden Jahrzehnten wurden Dutzende von Reaktoren verschiedener Typen gebaut. Die neueste Anlage ging 1989 in Betrieb – etwa ein Jahr vor der Wiedervereinigung.

PROTESTBEWEGUNG

Mit dem Unfall von Three Mile Island 1979 und der Katastrophe von Tschernobyl 1986 wuchs die Besorgnis über die Risiken der Kernenergie. Solche Befürchtungen beflügelten die westdeutsche Umweltbewegung und die neu gegründeten Grünen, die jetzt Teil der Regierungskoalition von Bundeskanzler Olaf Scholz sind.

ERSTER ABSCHALTPLAN

Eine Mitte-Links-Regierung aus Sozialdemokraten und Grünen verabschiedete 2002 ein Gesetz, dass Deutschland in den kommenden Jahrzehnten keine neuen Atomkraftwerke bauen und alle bestehenden Reaktoren abschalten werde. Der Schritt war Teil einer umfassenderen Anstrengung zur Verlagerung der Energieerzeugung in Deutschland – bekannt als Energiewende oder Energiewende – weg von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne.

BEDENKEN

Eine konservative Regierung unter Angela Merkel kündigte 2010 an, dass Deutschland die Lebensdauer seiner Kernkraftwerke verlängern würde, teilweise um eine ausreichende Versorgung mit billiger, kohlenstoffarmer Energie sicherzustellen. Einmal gebaut, erzeugen Kernkraftwerke deutlich weniger Treibhausgasemissionen als kohle- oder gasbefeuerte Anlagen, während sie unabhängig vom Wetter eine konstante Energiemenge liefern, die Solarparks oder Windparks nicht immer garantieren können.

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FUKUSHIMA U-TURN

Der Zwischenfall im japanischen Atomkraftwerk Fukushima im Jahr 2011 sorgte für eine rasche Wende. Merkel erklärte, Deutschland werde nun tatsächlich den Ausstieg aus der Atomkraft beschleunigen und das letzte verbleibende Atomkraftwerk bis Ende 2022 abschalten. Kritiker wiesen jedoch darauf hin, dass Deutschland Blackouts riskiere, wenn die erneuerbaren Energien nicht massiv ausgebaut würden. Um dies zu verhindern, plante Deutschland, Erdgas – größtenteils aus Russland – als „Brückenbrennstoff“ zu importieren, bis ausreichend Solar- und Windstrom verfügbar seien. Auch die Suche nach einem Langzeitlager für Deutschlands Atommüll läuft weiter, weil niemand will.

AUSWIRKUNGEN DES UKRAINE-KRIEGES

Da die Gasflüsse aus Russland aufgrund der Spannungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine stark zurückgegangen sind und die globalen Energiepreise in die Höhe geschossen sind, hat sich die deutsche Regierung bemüht, eine Energiekrise in diesem Winter zu verhindern. Beamte haben argumentiert, dass die drei verbleibenden Kernkraftwerke nur 6 % des Stroms des Landes liefern und der wirkliche Mangel wahrscheinlich im Wärmesektor liegt, der hauptsächlich mit Gas und Kohle betrieben wird. Aber mit dem wachsenden Druck auf Deutschland, seine eigenen Bürger warm zu halten, die Industrie am Laufen zu halten und Solidarität mit den Nachbarländern zu zeigen, einigten sich die von den Grünen geführten Energie- und Umweltministerien darauf, die Lebensdauer von zwei der Anlagen zu verlängern.

Spaltung FRACAS

Aus Angst vor Stromausfällen und hohen Energiepreisen haben die Freien Demokraten – ebenfalls Teil der Scholz-Regierung – kürzlich gefordert, dass alle drei Reaktoren so lange wie nötig weiterlaufen. Experten haben in Frage gestellt, ob dies helfen würde, und die Grünen haben sich entschieden dagegen ausgesprochen. Steigender politischer Druck und die Gefahr einer Regierungsexplosion veranlassten Scholz, am Montag einzugreifen und seine untergeordneten Koalitionspartner zur Ordnung zu rufen mit dem Kompromiss, die Reaktoren bis April laufen zu lassen.

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Quelle: APNews

Sophie Müller

Sophie Müller ist eine gebürtige Stuttgarterin und erfahrene Journalistin mit Schwerpunkt Wirtschaft. Sie absolvierte ihr Studium der Journalistik und Betriebswirtschaft an der Universität Stuttgart und hat seitdem für mehrere renommierte Medienhäuser gearbeitet. Sophie ist Mitglied in der Deutschen Fachjournalisten-Assoziation und wurde für ihre eingehende Recherche und klare Sprache mehrmals ausgezeichnet. Ihre Artikel decken ein breites Spektrum an Themen ab, von der lokalen Wirtschaftsentwicklung bis hin zu globalen Finanztrends. Wenn sie nicht gerade schreibt oder recherchiert, genießt Sophie die vielfältigen kulturellen Angebote Stuttgarts und ist eine begeisterte Wanderin im Schwäbischen Wald.

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